Zwischen Eiche und Birke

20. Juli 2013

Das Wesen der Ulmen

Rose Ausländer schrieb einst im Jahre 1939 ein Gedicht mit der Überschrift „An ein Blatt“. Die erste Strophe davon sei hier wiedergegeben: „Du grüne Schaukel duftiger Schmetterlinge, du windgekoste, leicht-geschmeidige Schwinge, du herzgeformte köstliche Gestalt! Auf deiner seidenglatten Innenfläche verrinnen dünne, krause Linienbäche, wie lichte Pfade in den tiefen Wald.“ Wenn man das Wesen eins Baumes studieren möchte, ist der Sommer gerade recht dafür. Denn im voll ausgeprägten Laubkleid kann man mehr davon erahnen als nur zur kargen Winterszeit. Aufgrund der feuchten Witterung des heurigen Jahres beginnen nun die Laubbäume noch einmal, ihre Äste in die Länge wachsen zu lassen. Ganz erfrischend wirkt dabei das zarte Grün, das man sonst nur im Frühling erwarten würde. Die Ulmen haben ein besonders schönes Laub. Die Blätter sind asymmetrisch an den Trieben angeordnet und symbolisieren auf diese Weise eine Dynamik, die an eine menschliche Spur erinnert, die durch den Sand am Strand eines Wassers gezogen wird. Dennoch hat die Ulme als großer Baum eine feste Gestalt, die mit tiefen Wurzeln im Boden fest verankert ist. Beides darf der Mensch in sich vereinen: Stabilität im Guten und Flexibilität im momentan Notwendigen. Vielleicht zeigt uns ja ein Ulmenblatt den Pfad dorthin.

Die gute Gesellschaft einer Ulme:

Vorwiegend wird man bei uns in Wäldern und Parks die Bergulme (Ulmus glabra) antreffen. Diese hat zusammen mit den anderen heimischen Arten eine gute Ausstrahlung. Menschen mit Hautkrankheiten, Gicht- und Rheumabeschwerden sollten oft die Nähe von Ulmen aufsuchen und in deren Schatten verweilen. ⓒ Aquarell von Adolf Blaim, Kräuterpfarrer-Zentrum Karlstein/Thaya