Kräuter und Wunder

28. September 2014

Ein Blick zu alten Quellen

Wozu ist das gut? – Das ist eine Frage, die durchaus vorsichtig eingesetzt werden sollte, wenn es um wesentliche Vollzüge unserer Existenz geht. Nicht, dass sie an und für sich schlecht wäre. Aber vorschnelle und vor allem oberflächliche Antworten können verhindern, dass das Eigentliche des Sinnes zu Tage tritt. In der Kräuterkunde trifft das meiner Meinung nach auf alle Fälle zu. Vor kurzem wurde ein ganz bedeutendes Werk medizinischer Literatur in die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes aufgenommen. Dabei handelt es sich um das Lorscher Arzneibuch, das Ende des 8. Jahrhunderts n. Chr. von Mönchen des einstigen karolingischen Klosters Lorsch als ein Kompendium des damaligen medizinischen Wissens zusammengefasst wurde. Dieses Buch ist wahrlich eine Fundgrube für die Erforschung der heilkundlichen Theorien und Anwendungen, wie sie im frühen Mittelalter gelehrt und praktiziert wurden. Im Duktus der darin befindlichen Texte erkennen wir, dass es den Schreibern darum ging, die jeweiligen Krankheiten nicht als unabwendbare Schicksale zu betrachten, sondern vielmehr mit der Unterstützung der Heilpflanzen praktische Nächstenliebe zu üben. Wichtig ist dabei, dass Mensch und Arznei eine Einheit bilden, die den jeweils Leidenden helfen, ihre Beeinträchtigung zu überwinden und notfalls bis zum bitteren Ende durchzustehen. Dabei werden die Kräuter überhaupt nicht als magische Wundermittel betrachtet. Auch heute, viele Jahrhunderte nach dem Lorscher Arzneibuch, meinen manche immer noch, dass Wirkstoffe, die in Pflanzen vorkommen, isoliert für sich in Anspruch genommen werden könnten, um damit allenfalls nachvollziehbare „Wunder“ zu wirken. Kräuter dienen zu vielem; gewiss aber nicht, um den Schöpfer, dem sie sich verdanken, zu ersetzen oder gar den um ihre Kräfte wissenden Menschen zur Seite zu stellen.

Der Schöpfer und die Heilkräuter:

Unlängst erschien in der St. Pöltner Kirchenzeitung „Kirche bunt“ ein Artikel über das Lorscher Arzneibuch, aus dem ich folgendes Bedenkenswerte zitieren möchte: „Denn aus drei Ursachen wird der Leib von Krankheiten befallen: aus einer Sünde, aus einer Bewährungsprobe und aus einer Leidensanfälligkeit. Nur dieser letzteren könne menschliche Heilkunst abhelfen, den anderen aber allein die Liebe der göttlichen Barmherzigkeit.“ Heilkräuterstrauß ⓒ Aquarell von Adolf Blaim, Kräuterpfarrer-Zentrum Karlstein/Thaya
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