Damit die Bremsen nicht versagen

12. September 2014

Ein Blatt Majoran als Kaugummi

Aufhören, wenn es am schönsten ist. Das Besteck weglegen, wenn’s am besten schmeckt. Ein Glaserl Wein nach Moserscher Manier „beißen“, womöglich noch ein zweites, aber keines mehr. – Diese Weisungen hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube, dass ich das schaffe. In meinem Kräutergarten biege ich entlang eines Beetes um die Ecke und lese ganz spontan das Schild: Echter Majoran (Origanum majorana). Jäh werde ich aus meinen genüsslichen Gedanken gerissen, denn ich stecke mir ein Blatt, das ich instinktiv von einem Majoranzweig abgezupft habe, in den Mund und kaue es. Der direkte Kontakt mit meinen Gaumensinnen zeigt mir, wie intensiv der Geschmack des beliebten Gewürzes sein kann. Aber zurück zu meinen Träumereien vom vermeintlichen Schlaraffenland. Als Kinder einer Wohlstandszeit fällt es uns nach wie vor nicht schwer, einen kulinarischen Genuss nach dem anderen zu erleben. Unbemerkt häuft sich mit der Zahl der Tage gleichsam ein Berg zu vieler Köstlichkeiten an, den wir durchaus willentlich erklimmen. Wir reden uns selbst sehr erfolgreich ein, dass es ja auf das eine üppige Mahl oder den einen oder anderen guten Tropfen nun wirklich nicht ankommt. Haben wir einmal die Spitze unseres derartig kultivierten Konsums erreicht, stellt sich womöglich das Verlangen ein, wieder den Rückweg in die Ebenen des gemäßigten Fortgangs anzutreten. Aber wie tun, wenn die Bremsen unseres leiblichen und willensmäßigen „Vehikels“ des eigenen Ichs bereits ihren Dienst quittierten? Und ein Rückweg ohne Bremsen scheint schier ausgeschlossen. Daher rate ich – durchaus im Bewusstsein, selbst zeitweise im Glashaus des eben Geschilderten zu sitzen – regelmäßig mit Kräutern eine dezent und gleichzeitig wirkkräftige Bremse einzubauen.

Der Gaumen als Regulativ:

Von Zeit zu Zeit ist es gut, vom Garten-Majoran 1 oder 2 Blättchen abzuzupfen und ganz bewusst zu kauen. Das hat mehrere Wirkungen. Der in Folge geschluckte Speichel hilft mit, dass sich im Darm die Gasbildung merklich verringert. Zudem bremst der intensive Geschmack des Majorans so manch ungesunden Heißhunger oder schädliches Verlangen nach alkoholischen Durstlöschern ein. Der Majoran ist quasi ein Pädagoge des Gaumens. Majoran ⓒ Aquarell von Adolf Blaim, Kräuterpfarrer-Zentrum Karlstein/Thaya