Den Mantel ausbreiten

27. Juni 2014

Überall dort, wo etwas heilen soll

Unter den katholischen Marienliedern gibt es einen Gesang, der gut zur Heilpflanze passt, die wir heute ganz besonders in den Blick nehmen dürfen: den Frauenmantel (Alchemilla vulgaris). Der Gesang zu Ehren der Gottesmutter beginnt mit folgenden Worten: „Maria, breit’ den Mantel aus, mach Schirm und Schild für uns daraus!“ Ich denke, dieses Lied ist all jenen, die eine Maiandacht besucht haben, nicht unbekannt. In der christlichen Ikonographie gibt es unter den verschiedenartigen Darstellungen den Typus der so genannten Schutzmantelmadonna. Dabei sind unter dem ausgebreiteten Umhang der Gottesmutter jeweils schutzbedürftige Leute aus allen Gesellschaftsschichten auszumachen. Die Gestalt der Blätter des Frauenmantels wiederum erinnern frappant an einen aufgefalteten Mantel. Daher ist es naheliegend, die Schutzfunktion, die in dem erwähnten Kleidungsstück zum Ausdruck kommt, auch auf die Heilpflanze aus der Familie der Rosengewächse zu übertragen. Hinter dieser augenscheinlichen Ähnlichkeit verbirgt sich in der Tat ein wahrer Kern. Die Erfahrungen der Naturheilkunde können dies bestätigen. Natürlich sind die Pflanzenteile des Frauenmantels viel zu klein, so dass ein Mensch sich darunter wie in ein Zelt flüchten könnte. Aber oft gibt es kleinräumige Zonen auf unserer Hautoberfläche, die sehr wohl der Therapie bedürfen und diese eben durch den grünen Freund von der Wiese finden können. Vergessen wir nicht unsere Zeit als Kinder. Bei jedem Wehwehchen war es vor allem wichtig, dass jemand – im Idealfall die Mutter – für uns anwesend war. Im Frauenmantel finden wir einen guten Helfer für die Verletzungen der Haut, der uns zudem animiert, den Mitmenschen zu helfen, ihre seelischen Wunden zu verarbeiten.

Heilendes Pflaster:

Frische Frauenmantelblätter kann man sammeln und sorgfältig reinigen. Mit einem Nudelwalker zerquetschen und dann auf die Stelle der Haut auflegen, die der Heilung bedarf. Das ist auf jeden Fall bei Wunden, Stichen und Schnitten der Fall. In Berggegenden wächst der Silbermantel, der ebenfalls für diese Art der Anwendung gut geeignet ist. Frauenmantel ⓒ Aquarell von Adolf Blaim, Kräuterpfarrer-Zentrum Karlstein/Thaya