Bevor die Palmkätzchen aufbrechen

16. Februar 2014

Die Weidenrinde ernten und nutzen

Voll Dank bin ich jedes Mal, wenn ich zusammen mit meinen Mitbrüdern im Chorgestühl unserer Stiftskirche sitzen darf, um die Psalmen zu singen. In diesen uralten Texten wird die Beziehungsgeschichte zwischen Gott und dem Autor auf einmal wieder lebendig. Auch Trauer und Wehmut zählen dazu. „An den Strömen von Babel, da saßen wir und weinten, wenn wir an Zion dachten. Wir hängten unsere Harfen an die Weiden in jenem Land.“ So beginnt z. B. der Psalm 137, der die Sehnsucht der Vertriebenen nach Jerusalem zum Ausdruck bringt. Und manchmal ist es gut, von den eigenen vier Wänden auszuziehen, um aus der Distanz so manches, was einem womöglich das Leben schwer macht, zu überdenken. Wer entlang eines naturbelassenen Baches oder Flusses seinen Spaziergang unternimmt, der trifft über kurz oder lang auf die Weiden, die das Ufer säumen. Von ihnen war eben im Psalm schon die Rede. Bevor ich darauf hinweisen werde, ihre Inhaltsstoffe zu verwenden, möchte ich den betrachtenden Blick auf diesen wasserliebenden Bäumen verweilen lassen. Es ist nämlich durchaus berechtigt, die Pflanzenriesen auch für konkrete seelentherapeutische Schritte zu Hilfe zu nehmen. Das Holz einer Weide ist in der wirtschaftlichen Vermarktung praktisch nichts wert. Daher sollen die Weiden vor allem jene aufsuchen, die ein geringes Selbstwertgefühl besitzen. Insofern trifft man ja dann auf Seinesgleichen. Aber die Uferbäume lassen sich nicht unterkriegen. Hochwasser, Eis und Raureif mögen ihnen zwar zusetzen, es reicht jedoch der kleinste Zweig, der nach einer Katastrophe übrigbleibt, um wiederum auszutreiben und zu einer neuen großen Pflanze heranzuwachsen. Ja, all diese heilsamen Überlegungen können bei einem winterlichen Spaziergang für die Aufmerksamen abfallen.

Weidenrinde im Februar sammeln:

Von fingerdicken Ästchen einer Weide können Sie die Rinde streifenweise ablösen und rasch trocknen. Am besten in verschlossenen Glasgefäßen aufbewahren. Eine Abkochung derselben eignet sich gut als Gurgelwasser bei entzündetem Zahnfleisch, Zahngeschwüren, Mandelanschwellung und Zäpfchenverlängerung. Zudem wirken Weidenrinden schmerzlindernd. Weidenkätzchen und Blüten ⓒ Aquarell von Adolf Blaim, Kräuterpfarrer-Zentrum Karlstein/Thaya